📘 Nachts ist es leise in Teheran – Zusammenfassung & Analyse

Allgemeines

  • Autorin: Shida Bazyar

  • Erscheinungsjahr: 2016

  • Genre: Gegenwartsliteratur / Familienroman

  • Themen: Flucht, Migration, Identität, Generationenkonflikt, politische Freiheit

Der Roman „Nachts ist es leise in Teheran“ erzählt die Geschichte einer iranischen Familie, die nach der Islamischen Revolution 1979 in den Iran fliehen muss, dann ins Exil nach Deutschland kommt und dort mit den Herausforderungen von Heimat, Entfremdung und Zugehörigkeit ringt.
Es ist ein Roman über das Ankommen und Fremdsein, über politische Hoffnung und Ernüchterung, erzählt über mehrere Jahrzehnte und Generationen hinweg.


Inhaltsangabe (ausführlich)

1. Teil – Behsad (1979, Iran)

Der Roman beginnt im revolutionären Iran des Jahres 1979.
Behsad, ein junger idealistischer Revolutionär, kämpft gegen das Schah-Regime.
Er glaubt an Freiheit, Gerechtigkeit und eine bessere Zukunft.
Doch nach dem Sturz des Schahs übernimmt Ayatollah Khomeini die Macht –
die Islamische Republik entsteht, und Behsads Träume werden zerstört.
Er wird verfolgt, weil er zu einer linken Oppositionsgruppe gehört.
Schließlich muss er mit seiner Frau Nahid und der kleinen Tochter Laleh aus dem Iran fliehen.

2. Teil – Nahid (1989, Deutschland)

Zehn Jahre später lebt die Familie im deutschen Exil.
Nahid erzählt von einem Leben zwischen zwei Welten.
In Deutschland fühlen sie sich fremd: Sie sprechen die Sprache nur gebrochen,
die Menschen sind höflich, aber distanziert.
Nahid leidet unter Heimweh und dem Verlust ihrer politischen Identität.
Sie fragt sich, ob sich die Flucht gelohnt hat.
Ihre Kinder wachsen in einem Land auf, das sie selbst nie wirklich versteht.
Die Ehe mit Behsad ist angespannt – beide tragen die Narben der Vergangenheit in sich.

3. Teil – Laleh (1999, Deutschland)

Laleh, die älteste Tochter, ist inzwischen Teenagerin.
Sie geht in Deutschland zur Schule, fühlt sich aber nie ganz zugehörig.
Sie ist „zu deutsch“ für die Iraner, aber „zu iranisch“ für die Deutschen.
In ihrer Erzählung geht es um Identität, Anpassung und Rebellion.
Sie beginnt, ihre Eltern zu kritisieren – ihre Schweigsamkeit, ihre Bitterkeit.
Gleichzeitig spürt sie, wie sehr die politischen Traumata der Eltern sie geprägt haben.
Ihre eigene Suche nach Freiheit ist ganz anderer Art:
nicht mehr politisch, sondern persönlich und emotional.

4. Teil – Morad (2009, Deutschland/Iran)

Morad, der Sohn, studiert in Deutschland, ist aufgeschlossen und politisch interessiert.
Er erlebt Deutschland als Land der Möglichkeiten, aber auch der subtilen Ausgrenzung.
Er kämpft mit Vorurteilen, mit Fremdzuschreibungen und Rassismus.
Als er im Zuge der Proteste gegen die iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 (Grüne Bewegung)
nach Teheran reist, spürt er zum ersten Mal eine starke Verbindung zum Land seiner Eltern.
Doch dort erlebt er Gewalt und Unterdrückung –
die Geschichte wiederholt sich.
Am Ende erkennt Morad, dass weder Iran noch Deutschland allein seine Heimat sind.
Er trägt beides in sich – und gleichzeitig keines von beiden vollständig.


Themen und Motive

  • 🕊️ Freiheit und politische Unterdrückung:
    Der Roman zeigt, wie Ideale zerstört werden – erst durch den Islamismus im Iran,
    dann durch strukturellen Rassismus in Deutschland.

  • 🧳 Migration und Heimat:
    „Heimat“ ist kein Ort, sondern ein Gefühl, das zwischen den Generationen verloren und neu gefunden wird.

  • 👩‍👧‍👦 Familie und Generationen:
    Jede Generation hat ihre eigene Perspektive auf die Flucht:
    Die Eltern kämpfen mit Verlust, die Kinder mit Identität.

  • 🌍 Identität und Zugehörigkeit:
    Die Kinder der Geflüchteten suchen nach einem Platz zwischen zwei Kulturen,
    ohne je vollständig in einer anzukommen.

  • 💔 Schweigen und Erinnerung:
    Vieles wird unausgesprochen – das Trauma, die Angst, die Enttäuschung.
    Dieses Schweigen prägt das Leben der Kinder.


Erzählweise und Struktur

Der Roman ist vielstimmig aufgebaut:
Jedes Kapitel wird aus der Sicht einer anderen Figur erzählt.
So entsteht ein Kaleidoskop aus Perspektiven und Erfahrungen,
das zeigt, wie sich Geschichte über Generationen fortsetzt.
Die Sprache ist poetisch, präzise und emotional –
sie verbindet politische Ereignisse mit persönlicher Erfahrung.


Interpretation

Shida Bazyar gelingt es, das große Thema der Migration mit literarischer Kraft zu erzählen.
Ihr Roman ist keine reine Fluchtgeschichte, sondern eine Reflexion über Erinnerung, Identität und Gerechtigkeit.
Die politischen Ereignisse im Iran werden nicht isoliert dargestellt,
sondern in Beziehung zu europäischen Realitäten gesetzt.

Die Kinder sind dabei Spiegel einer neuen Generation:
Sie tragen die Vergangenheit der Eltern weiter, ohne sie gewählt zu haben.
So wird der Roman zu einem Mehrgenerationenporträt über das Exil,
aber auch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit deutscher Gesellschaft und Integration.


Fazit

„Nachts ist es leise in Teheran“ ist ein eindrucksvoller, poetischer Roman über das Leben zwischen zwei Welten.
Er erzählt von Verlust und Hoffnung, Schweigen und Aufbruch,
und davon, wie Geschichte sich in Familien wiederholt.

Shida Bazyar schafft ein Werk, das politisch, literarisch und emotional gleichermaßen überzeugt.
Es gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Migrationsromanen der Gegenwart.


Wichtige Zitate

„Wir sind gekommen, weil wir bleiben mussten. Und geblieben, obwohl wir nie ganz angekommen sind.“
– Shida Bazyar, Nachts ist es leise in Teheran

Von fares87

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